oder anders formuliert: Warum lässt man junge Sonderpädagogen im Regen stehen?
Die Einstellungspraxis in Bayern ist für junge Sonderpädagogen der Fachrichtung Geistig- und Körperbehindertenpädagogik seit vielen Jahren (seit 9 Jahren verfolge ich es zumindest) sehr fragwürdig.
Nach dem Referendariat befinden sich viele Sonderpädagogen, die knapp über einem Notenschnitt von ca 1,8 (z.T. noch niedriger) geblieben sind, auf der Warteliste und erhalten nur Jahresverträge. Wer es innerhalb von 5 Jahren nicht schafft eine Planstelle zu erhalten, fliegt von der Warteliste…
Gleichzeitig klagt die Regierung aber über einen chronischen Lehrermangel. Besonders Sonderpädagogen werden dringend gesucht! Angeblich wurden bereits Lehrer in Altersteilzeit gefragt, ob sie nicht in den Schuldienst zurückkehren möchten.
Begründung?
Warum verweigert man jungen, motivierten Lehrern eine dauerhafte Berufsperspektive?
In Bayern gibt es für die einzelnen Fachbereiche unterschiedliche Einstellungsnoten. Da der Bedarf an Sonderpädagogen der Fachrichtung G und K gering ist, sind die erforderlichen Notenschnitte für eine Planstelle sehr niedrig. Nicht jeder hat eine 1 im Schnitt und deshalb landet der Lehrer auf der Warteliste, wird dann aber in Fachrichtungen (z.B. Lernbehindertenpädagogik) eingesetzt in denen er mit seinem Schnitt evtl. ein Planstelle bekommen hätte.
Mein Lösungsvorschlag!
Der Notenschnitt für die Beamtung sollte für alle Fachrichtungen gleich sein!
oder
Der Notenschnitt für die Verbeamtung eines Sonderpädagogen richtet sich nach der Schulart an der er unterrichtet!
Im folgenden fasse ich den Artikel „Prekäre Einstellungspraxis im Förderschulwesen“ von von Stephan Stadlbauer, erschienen in der GEW Zeitschrift DDS zusammen.
Folgen?
Welche Folgen hat diese Einstellungssituation?
Folgen für die Schüler
- jährlich wechselnde Bezugspersonen
- keine Kontinuität im Unterricht
- Bedürfnisse einzelner Schüler werden leicht übersehen
Folgen für die betroffenen Lehrer
- jährlicher Schulwechsel, der z.T. sogar einen Umzug erfordert
- geringerer Verdienst als verbeamtete Kollegen
- wiederholtes Einarbeiten in neue Klassen- und Schulsituationen
- unnötige Verunsicherung durch befristete Arbeitsverhältnisse
- Angst nach 5 Jahren von der Warteliste zu fliegen
- es ist keine dauerhafte Lebensplanung möglich
Folgen für die Schulleitungen und Lehrer an den Schulen
- zum Jahresende wissen die Schulleitungen nicht, welches Personal im nächsten Jahr zur Verfügung steht
- ständig müssen neue Kollegen eingearbeitet werden
- Ämter in der Schulorganisation können Lehrer mit Jahresverträgen nur schwer übernehmen
Widerstand?
Ich bin kein Jurist, aber eigentlich hat ein Angestellter in der Bundesrepublik das Recht, nach zwei Jahresverträgen beim gleichen Arbeitgeber, einen unbefristeten Jahresvertrag zu erhalten.
Dieses Recht wird bei jungen Sonderpädagogen umgangen, indem sie nach spätestens zwei Jahren einfach an eine andere Schule versetzt werden. Rechtlich sicherlich in Ordnung, aber nicht gerade die feine Art…
Jetzt endlich, nach so vielen Jahren bewegt sich endlich etwas. Ausgehend von Mittelfranken entwickelt sich Widerstand gegen diese eigenartigen Einstellungsverhältnisse.
Nach einer bayernweiten Unterschriftenaktion fand am 25.06.08 eine Podiumsdiskussion mit einem Vertreter aus dem Kultusministerium, Abgeordneten aus dem Landtag und betroffenen Lehrern und Elternvertretern statt.
Ergebnis?
Es war gar nicht so einfach etwas über das Ergebnis zu finden. Wenn die GEW, der BLLV, der VDS und weitere Lehrerverbände sich der Sache schon annehmen. Warum findet man darüber nichts auf den großen Internetportalen dieser Lehrerverbände? Schade eigentlich!
Auf der kleinen Homepage der GEW Fachgruppe sonderpädagogische Berufe Mittelfranken habe ich dann schließlich etwas gefunden. Das Ergebnis ist sehr enttäuschend.
„Herr Karl, Ministerialrat am bayerischen Staatsministerium, verwies darauf, dass man an dieser Stelle lediglich mit den vom Gesetzgeber zugewiesenen finanziellen Mitteln arbeiten könne und dass z. Zt 86 unbefristete Stellen für Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung geschaffen worden sein.“
Aber lest den Artikel von Angela Rauscher in der PV-Info der Fachgruppe sonderpädagogische Berufe Mittelfranken selbst… (einfach auf die Grafiken unten klicken)
Hi, bin gerade zufällig auf euren Block gestoßen. Ich habe Lernbehindertenpädagogik in Bayern studiert. Nach 5 Jahren Arbeit in einem Förderzentrum, natürlich mit jährlichen Arbeitsverträgen ,flog ich von der Warteliste. Dann habe ich nochmals 2 Jahre mit jährlichen Angestelltenverträgen dort gearbeitet. Die Regierung hätte das auch so weiter gemacht. Aber nach insgesamt 7 Jahren Ungewissheit habe ich einfach nicht mehr gekonnt. Ich bin echt nervenstark, aber jedes Jahr wurde die Anspannung für mich schlimmer. Ich habe durch Zufall mit einer privaten Förderberufsschule Kontakt bekommen und arbeite dort seit einigen Jahren. Auch hier war ich nochmals 2 Jahre mit einem Jahresvertrag angestellt. Allerdings mit der schriftlichen Zusage auf ein unbefristetes Angestelltenverhältnis. Ich bekomme zwar weniger Geld als meine verbeamteten Kollegen, aber ich schone meine Nerven. Die setze ich lieber im Unterricht ein!
Gruß Anne
Hallo!
Ein sehr interessanter Artikel, der mir jedoch ein paar Sorgen bereitet, da ich mich selbst aktuell im Lehramtsstudium für Sonderpädagogik befinde und selbstverständlich auch die Verbeamtung als Wunsch habe. Nun sind jedoch ein paar Jahre seit Veröffentlichung des Artikels vergangen. Lässt sich mittlerweile eine Besserung der Umstände erkennen?
Freundliche Grüße
Timo
Hallo!
Ich kenne mich mit den anderen Bundesländern nicht aus, aber in Niedersachsen werden händeringend Sonderpädagogen gesucht. Wir können seit einiger Zeit nicht mal alle Stellen besetzen. Verbeamtet wird man auf Probe, du hast dann zwei Besuche der Schulleitung und dann bist du auf Lebenszeit verbeamtet.
Alle Mitstudenten und Referendare, die ich kenne, sind verbeamtet worden, es sei denn man möchte nicht. Ich war immer überrascht, dass es in anderen Bundesländer so arg anders läuft. Als Lehrer an einer Schule mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung hier hat man als Klassenleitung eine Klasse, man macht vielleicht noch Fachunterricht oder geht in die Inklusion. Natürlich haben wir genau dieselben Probleme mit zu wenig Stunden für die Inklusion, aber ich habe das Gefühl, dass wir nicht verheizt werden. Ich bin total gerne hier!
Liebe Grüße,
die Bratwurst
Momentan wird in Bayern jeder Sonderschullehrer verbeamtet, der nicht bis 3 zählen kann. Es herrscht Sonderschullehrermangel, und das nicht zu knapp. Es gibt zudem Nachqualifikationsmöglichkeiten für MS/GS-Lehrer und Realschullehrer, wenn auch zu sehr bescheidenen Konditionen.
Hi,
ich arbeite als Förderschullehrerin in RLP, weil zu „meiner Zeit“ in NRW nicht eingestellt wurde. In diesem Bundesland gibts neuerdings eine (m.M. nach sehr fragwürdige) Wechslerprüfung, wo „fertige“ Regelschullehrer über ein „2. Referendariat“ in der Fö-Schule dann zum Sonderschullehrer qualifiziert werden sollen. Also zumindest arbeiten sie dann anschließend an den Schulen, seufz. Außerdem werden bei uns Studenten aller päd. Bereiche ab dem 3. (!) Semester mit halbjährlichen Honorarverträgen bis zu 15 Wochenstunden als „Lehrer“ eingesetzt. Von Quereinsteigern gar nicht zu sprechen. Oder Leuten, die auf ihr Ref. warten. Es sind Stellen ausgeschrieben, aber leider keine Lehrer vorhanden!!!!
(Übrigens hat dieses Konzept zur Folge, dass „richtige“ Sonderschullehrer an Schwerpunktschulen (Inklusion) und in den sog. Förder- und Beratungszentren (früher Integrierte Förderung an Regelschulen) zur Prävention arbeiten, und die „Lückenfüller“ Klassenleitungen erfüllen sollen. Das nenne ich Qualitätssicherung! Aber das wäre wieder ein neues Thema…)