Hallo, ich arbeite als Sonderpädagogin in den Integrationsklassen einer Gesamtschule. Bei uns in Hamburg stehen politisch gewollte Veränderungen an. Welche Auswirkungen das auf die Schule, die Situation der Integrationsschüler – insbesondere die gb -Schüler – hat und wie wir als Pädagogen damit umgehen, möchte ich euch erzählen.
So sieht das Hamburger Integrationsmodell bisher aus: an diversen Schulen der Sekundarstufe 1 gibt es in den Jahrgängen 5 bis 10 je eine Integrationsklasse, in Ausnahmefällen auch mal zwei. Zu jeder I-Klasse gehören eine Sozialpädagogin (ganze Stelle) und eine halbe Sonderpädagogin (ganze Stelle auf zwei Klassen verteilt). Alle Unterrichtsstunden sind doppelt besetzt.
Das gemeinsame Lernen am gleichen Gegenstand hat Priorität im integrativen Unterricht. Besonders bei den gb Schülern ist im Sinne einer individuellen Förderung eine ziel- und themendifferente Unterrichtsgestaltung erforderlich.
Neu ist, dass ab 2010 die Jahrgänge 5 und 6 an den Grundschulen geführt werden, die dann Primarschulen heißen.
Meine Schule wird also zwei Sozialpädagogen und einen Sonderpädagogen abgeben müssen.
Nicht schön, aber für alle Beteiligten zu verkraften.
Ungleich härter trifft es die Integrationsschüler. Bei uns wird es nur noch vier I-Klassen geben.
Die wenigen Schüler mit Förderbedarf im Bereich der geistigen Entwicklung vereinsamen. Meist findet sich nur ein Schüler mit dieser Behinderungsform in einer Klasse. Und auch das nur in wenigen Jahrgängen: in diesem Schuljahr in den Klassen 7 (ein Mädchen) und 9 (zwei Mädchen). Die Entwicklungschere zwischen diesen Schülern und ihren nicht behinderten Mitschülern geht zunehmend auseinander. Sie haben wenig Chancen, mit Gleichdenkenden in Kommunikation zu treten. Das trifft teilweise auch auf die Förderschüler zu. Wir haben besondere Projekte wie ein Café, einen Freizeitclub und Mittagspausenangebote für Integrationsschüler gegründet, damit die Schüler auch jahrgangsübergreifend Kontakte finden. Dennoch bleibt das spezielle Probleme der Schüler mit einer geistigen Behinderung eine große Herausforderung. Wir müssen neue, kreative Lösungen suchen, um ihre Situation zu verbessern.
Wenn es etwas Neues gibt, melde ich mich. Für Ideen und Tipps bin ich dankbare Abnehmerin!
Aurelia
Habe mich sehr über den Artikel gefreut, weil es genau diese Artikel sind, die ich gerne öfter hier lesen würde (5 Sterne!)! Austausch über den Alltag an deutschen (Förder-)Schulen und vor allem auch Diskussion über die vielen Modelle, die in unserem „Patchwork-Schulsystem“ in der BRD, so existieren. Wirklich toll! Aber jetzt zum eigentlichen Kommentar…
Zunächst finde ich, dass sich dieses Modell ganz gut anhört. Zumindest, wenn man es mit dem Standard hier in NRW vergleicht… Wobei ich mit meinem jugendlichen Idealismus mich ehrlich gesagt schwer tue, es überhaupt als „integrativ“ zu bezeichnen, solange es EINZELNE INTEGRATIONSKLASSEN gibt! Das ist doch wirklich paradox!
Mir ist ja bewusst, dass wenn ich eine inklusive Beschulung fordere, die meisten „alten Hasen“ müde über mich lächeln und die klugen Leute, die in den Ministerien sitzen erst recht :), aber dass es im Endeffekt besser wäre steht wohl außer Frage.
Denn Probleme wie Du sie beschreibst würden gar nicht erst entstehen!
Während meines Studiums haben wir immer ehrfürchtig nach Hamburg geschaut. „Hamburg ist toll, die machen Integration, wie sie sein soll!“ Ich habe noch nie Unterricht in einer Integrationsklasse gesehen und weiß auch nicht, wie es Schülern mit geistiger Behinderung dort ergeht. Dass in den höheren Klassen die Interessen der Schüler auseinanderdriften und Schüler mit geistiger Behinderung vereinsamen könnten, dieses Problem haben wir aber damals auch schon vermutet.
An unseren Schulen speziell für Schüler mit geistiger Behinderung (Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung) erlebe ich, dass der Schonraum in dem unsere Schüler lernen auch etwas Gutes hat. Ein Vereinsamen ist an diesen Schulen so gut wie nicht möglich. Die Schüler wachsen in Gemeinschaft auf und pflegen rege Kontakte zu den Mitschülern…
Welcher Weg besser ist? Ich weiß es nicht!
Vielleicht sollten beide Wege möglich sein, so dass man für jedes Kind individuell entscheiden kann…
Lieber Timo, lieber Matthias!
Danke für eure Rückmeldungen. Ich stehe dem Hamburger Integrationsmodell selbst mit gemischten Gefühlen gegenüber.
Von zwei Hospitationsstunden abgesehen, habe ich noch nie eine Gb-Schule von innen gesehen. Deshalb kann ich nur vermuten, dass die Vielfältigkeit und auch das (manchmal eher überfordernde) Niveau der unterrichtlichen Angebote und Anforderungen sich positiv auf die Schüler auswirken. Sie werden sehr selbstständig und haben in den integrativ funktionierenden Klassen viel Gelegenheit, von den Anderen zu lernen. Die Skala der Entwicklungsmöglichkeiten ist nach oben offen. Allerdings ist es schon eine ausgewählte (Integrations-)Schülerschaft, die bei uns ankommt.
Die individuelle Förderung steht oft hinter der Prämisse der Mitarbeit am gleichen Thema zurück.
Was mich in der Sek. 1 von Anfang an sehr bedrückt hat, war die vom ersten Tag an zunehmende Vereinsamung dieser Schüler. Ob die Gb-Schule die bessere Alternative ist, weiß ich nicht. Aber dass diese Schüler Kontakte zu ihresgleichen, zu einer Gemeinschaft vermissen, ist offensichtlich.