Beispielhafter Umgang mit einem Junglehrer

in Politik on 12.11.08

Das Warten auf die Note des 2. Staatsexamens dauerte im Schuljahr 2007/2008 lange, dann endlich erhielten wir alle im Seminar unsere Briefchen mit den gesammelten Noten von unserer Seminarleiterin, mit denen es möglich war, seinen Durchschnitt auszurechnen. Der Schnitt war viel besser als erwartet, und es blieb sogar die Hoffnung, vielleicht doch eine Planstelle zu erhalten. Als dann aber die Einstellungsnoten herauskamen traf mich der Schlag. Verbeamtung erst ab 1.43, keine staatlichen Verträge mehr ab 1.8, keine unbefristeten Verträge mehr mit Zusage. Das konnte doch nicht wahr sein, werden wir jungen Körperbehindertenpädagogen überhaupt nicht mehr gebraucht?

Hoffnung aufgrund sensationellem Elterneinsatz

Ich hatte noch Hoffnung aufgrund des Auftretens der Schulleitung meiner Einsatzschule und des tollen Einsatzes meiner Klasse und ihrer Eltern (Unterschriftenaktion, Gespräche mit der Regierung, Gespräche mit dem Kultusministerium), vielleicht doch am FzkmE Nürnberg bleiben und meine Klasse weiterführen zu können. Leider eine total aussichtslose Utopie, wie sich herausstellen sollte. Letztendlich gab es eine wahnsinnig emotionale Abschiedsfeier, bei der fast alle meine Schüler sowie auch ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnten und mir die gesamte Klasse sowie die Eltern unvergessliche Momente schenkten. Die Frage blieb: jeder Beteiligte wollte, dass ich die Klasse weiterführen sollte. Warum ist das nicht möglich gewesen?

 

Rummelsberg – Spardorf – und dann doch Erlangen – oder Höchstadt?

Die erste Zuteilung lautete Rummelsberg, eine Schule zur Erziehungshilfe mit nicht gerade dem besten Ruf. Es sollte immerhin ein befristerer Jahresvertrag sein, auf meinen Wunsch nur 15 Stunden, allerdings konnte ich es mir überhaupt nicht vorstellen, nach meiner Ausbildung zum Sonderschullehrer für Menschen mit Körperbehinderung an einer Schule zur Erziehungshilfe zu arbeiten. Noch dazu verstand ich nicht, warum ich als Vater eines Kindes mit dem Wunsch, möglichst wohnortnah eingesetzt zu werden nicht an einer Schule in Nürnberg unterkommen sollte, so wie das für andere aus meinem Seminar möglich war, die keine Familie und keine Kinder hatten. Für mich bedeutete das in jedem Fall ein Auto zu brauchen, was ich eigentlich verhindern wollte. Ich telefonierte mit dem zuständigen Beamten an der Regierung von Mittelfranken und machte meinem Unmut ein wenig Luft. Es sei in jedem Fall zumutbar, jeden Tag bis zu 30km zur Arbeit zu fahren und ich solle mich nicht beschweren, immerhin gäbe es wohl auch die Möglichkeit, den Vertrag in einen unbefristeten Vertrag umzuwandeln. Ich wollte aber keinen unbefristeten Vertrag an einer Schule zur Erziehungshilfe. Nun denn, ich spielte dann mit dem Gedanken, meinen Antrag auf unbezahlten Erziehungsurlaub auszufüllen und teilte dem Beamten das auch so mit. Das schien ihm überhaupt nicht zu gefallen, und er vertröstete mich, dass es vielleicht noch andere Möglichkeiten gäbe. Einen Tag danach wurde ich angerufen. Es gäbe da eine Stelle in Erlangen/Spardorf, ein nettes kleines Förderzentrum, zwar auch knapp 30km weit weg, aber eben keine Schule zur Erziehunghilfe. Ich bedankte mich und fuhr noch am gleichen Tag nach Spardorf, um mir die Schule anzusehen. Sie gefiel mir auf den ersten Blick und ich teilte der Regierung am nächsten Tag mit, dass ich die Stelle gerne annehmen würde, auch wenn sie bezüglich der Wohnortnähe alles andere als praktisch sei. Gut, meinte der Beamte, dann wäre aber er jetzt nicht mehr für mich zuständig und ich müsse mich an seinen Kollegen wenden.

 

Zuständigkeiten – wer spricht mit wem?

Ich tat wie mir geheißen und rief erneut bei der Regierung an. Ach ja, der Herr …….., von dem hätte er schon gehört. Leider sei da jetzt aber etwas schief gelaufen und an der Stelle in Spardorf gäbe es ein Problem. Es gäbe da einen Lehrer, der eventuell von einer anderen Schule abgezogen werden müsste und deswegen wäre es wohl so, dass zum neuen Schuljahr ein Kollege aus Spardorf nach Höchstadt gehen müsste. In jedem Fall könne er mir da jetzt nichts Sicheres sagen. Aber es gäbe da noch eine andere Schule, an der er mich gerne einsetzen würde. Das wäre dann das Förderzentrum in der Stadt Erlangen.

 

Zusage – aber wer weiss genau für welche Schule?

Letztendlich blieb mir nichts mehr anderes übrig, als der Stelle zuzusagen, bzw. ich war einfach so genervt und der wohlverdiente Urlaub stand an, dass ich einfach zusagte und versuchte, mir keine Gedanken mehr zu machen. Ich traf mich mit dem Direktor der Schule, der mir immerhin versicherte, dass ich mit meinen 15 Stunden nur 3 Tage die Woche arbeiten müsste, sie wären eine sehr familienfreundliche Schule und würden natürlich Rücksicht auf meinen kleinen Sohn nehmen.

 

Dienstanweisung: Bitte nicht zu sehr engagieren!

Ich genoß die Ferien trotz allem Stress und allem Geschacher, und als ich aus dem Urlaub kam hatte ich Post von der Regierung von Mittelfranken. Ich sei eingeladen, meinen Arbeitsvertrag in Ansbach zu unterschreiben. Hui, dachte ich mir, jetzt wird man schon wegen einem unbefristeten Arbeitsvertrag nach Ansbach zitiert. Sollte ich dafür “Danke” sagen? Aber die Regierung wird das Geld für die Fahrtkosten wohl locker haben. Sämtliche befristeten Vertragssonderschullehrer saßen also mit Herrn D. an einem Tisch und durften ihre Vertäge unterschreiben. Ebenso wurden wir darauf hingewiesen, dass wir unser Engagement bitte in Grenzen halten sollten, da wir ja nur befristete Arbeitsverträge hätten. Und in diesem Jahr seien sogar Eltern bis zum Kultusministerium gegangen, um sich zu beschweren, dass ihre Kinder nach nur einem Jahr wieder mal einen guten Lehrer verlieren würden. Was die sich wohl einbildeten. Also bitte auch nur normale Elternarbeit und keine Zusatzaufgaben wie AKs oder Betreuungslehreraufgaben. Also, zusammengefasst: bitte leiste nur durchschnittliche Arbeit, damit es keinen Stress mit dem zufriedenen Kunden gibt und wir dich am Ende des Jahres ohne Stress wieder woanders hinschicken können. *ohne weitere Worte*

 

Also doch Höchstadt???

In der ersten Lehrerkonferenz kam der Direktor mit verbittertem Gesicht auf mich zu und erklärte mir, dass die Regierung gerade eben mit ihm telefoniert hätte und es (mal wieder) ein Problem gäbe. In Höchstadt würde noch eine Stelle mit 15 Stunden fehlen und er müsse jetzt jemanden aus seinem Kollegium finden, der bereits am nächsten Tag seinen Dienst in Höchstadt antreten würde. Ich erzählte ihm, dass ich die Stelle in Spardorf nicht bekommen hätte, weil da eben ein Kollege sei, der eventuell nach Höchstadt gehen müsste und dass ich jetzt nicht verstehen würde, warum jetzt einer aus diesem Kollegium gehen müsste. Er verstand es natürlich auch nicht. Das ist jetzt die Stelle, an der wirklich gelacht werden darf. Ich fand es allerdings überhaupt nicht zum Lachen, und es scheint sehr vielen jungen Kollegen so zu gehen, dass sie am ersten Tag ihres Dienstes auf einmal doch noch wo anders hingekarrt werden sollen. Letztendlich bin ich am Förderzentrum in Erlangen geblieben, ein anderer Kollege mit geringer Stundenzahl ging freiwillig nach Höchstadt. Ob das jetzt gut oder schlecht für mich ist kann ich momentan noch nicht sagen.

 

Wieso, weshalb, warum…?

Das Geschacher und Gekeile nach dem 2. Staatsexamen, die eigentliche Ohnmacht, irgendwohin verteilt zu werden, vollkommen egal welche Qualifikation man hat, machtlos dem Willen seines Arbeitgebers ausgesetzt zu sein und dafür noch nichtmal mit zukunftssicheren Verträgen belohnt zu werden ist eine der extremsten Erfahrungen gewesen, die ich in meiner bislang kurzen Karriere als Sonderschullehrer erleben durfte. Es geht um die Zukunft der jungen Sonderschullehrer und um Planungssicherheit, und dabei um Zehntel der Abschlussnote. Teamfähig sollen sie sein, die Sonderpädagogen, aber im Kampf um Planstellen und unbefristete Verträge sind das kaum die Kompetenzen, die gefördert werden. Und jetzt fehlt es wieder hinten und vorne an Lehrern, bei Krankheit muss Unterricht ausfallen und Missstände tun sich auf, die nicht sein müssten, wenn das Förderschulwesen einfach nur ein klitzekleinwenig mehr Geld und vor allem eine optimierte Organisationsstruktur erhalten würde. Qualitätsmanagement lässt grüßen.

Und mir graut bereits vor dem nächsten Schuljahr, wo das Ganze wieder von vorne beginnt…

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